Mittwoch, 12. November 2025
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Der «SVBS AWARD» für die Ersthelfer des Jahres 2024 geht an Pascale Imboden, Katja Nafz und Rolf Märchy von der Kantonsschule Hohe Promenade. Sie hörten auf ihr Bauchgefühl, auf ihren Instinkt und auf ihre Intuition – und erkannten dadurch einen medizinischen Notfall, obwohl offensichtliche Symptome fehlten.

In einem ruhigen Teil des Schulgeländes, bekannt als der obere Garten, ereignete sich ein besorgniserregendes, jedoch nicht lebensbedrohliches Ereignis: Ein IT-Mitarbeiter wurde auf einen Schüler aufmerksam, der abwesend wirkte, nicht sprach und etwas Robotisches an sich hatte, als er ins Leere starrte. Abgesehen von diesem Verhalten zeigte der Schüler keine weiteren Auffälligkeiten.

Besorgt über den Zustand des Schülers begleitete der IT-Mitarbeiter ihn in die Schulsanität. «Dort legten wir den Schüler auf das Liegebett und versuchten, mit ihm zu kommunizieren», erzählen die Ersthelfer:innen. «Trotz unserer Bemühungen gab er keine Antwort, wirkte aber ansonsten völlig normal. Ein instinktives Bauchgefühl liess uns jedoch spüren, dass etwas nicht stimmte. Wir vermuteten ein zerebrales Ereignis und kontaktierten umgehend den Notruf 144.»

Die herbeigerufenen Sanitäter führten diverse Tests durch, die alle negativ ausfielen. Diese Ergebnisse verstärkten zunächst ihre Annahme, dass der Junge möglicherweise simuliere. Die Tests, die üblicherweise darauf ausgerichtet sind, sofort erkennbare medizinische Probleme zu identifizieren, zeigten keine Auffälligkeiten, was die Situation für die Sanitäter zunächst eindeutiger erscheinen liess.

«Trotz der negativen Testergebnisse war unser Instinkt in der Sanitätsstation jedoch ein anderer», sagen die Ersthelfer:innen. «Unsere Erfahrung und das ungewöhnliche Verhalten des Schülers liessen uns an eine tiefere, nicht sofort sichtbare medizinische Ursache denken. In dieser Zwischenzeit erschien ein Freund des Schülers und berichtete von einem ähnlichen Vorfall, der einige Wochen zuvor geschehen war. Nachdem wir endlich die Eltern erreichen konnten, wurde der Junge ins Kinderspital gebracht, wo er gründlich untersucht wurde. Die anschliessende genaue Untersuchung im Kinderspital bestätigte unsere Vermutungen und führte zur Diagnose des Panayiotopoulos-Syndroms, eine Form von untypischem epileptischem Anfall, der visuelle Halluzinationen, vorübergehende Blindheit, unkontrollierte Augenbewegungen, starren Blick sowie Übelkeit und Erbrechen umfassen kann.»

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«Dieser Vorfall unterstreicht die Bedeutung, auf die Intuition und das Fachwissen des medizinischen Personals zu vertrauen, auch wenn vorläufige Tests keine klaren Antworten bieten», ergänzen die Gewinner des SVBS AWARD 2024. «Es zeigt auch, wie wichtig es ist, eine umfassende Beurteilung durchzuführen und offenzubleiben für weniger bekannte medizinische Zustände, insbesondere bei Symptomen, die nicht in typische Muster passen.»

Eine eindeutige Entscheidung der Jury

Für die Jury des SVBS AWARD – bestehend aus vier Schulungsanbietern und drei ehemaligen Gewinnern des Awards – war diese Eingabe die beste. Einige Stimmen aus der Jury:

  • «Die Eingabe überzeugt auf mehreren Ebenen: Hohes Mass an klinischer Intuition trotz fehlender offensichtlicher Symptome – ein Paradebeispiel für „klinischen Blick“ und Verantwortung. Der Fall zeigt sehr gut die Bedeutung des nicht-technischen Urteilsvermögens in der Ersten Hilfe. Auch wenn es kein dramatischer Notfall mit sichtbaren Verletzungen war, war die Gefahr einer Fehldiagnose real – und wurde dank fachlicher Hartnäckigkeit und Teamarbeit abgewendet. Diese Eingabe verdient den 1. Platz, weil sie die professionelle Haltung und den Kern des Sanitätsdienstes verkörpert: Wahrnehmen, Ernstnehmen, Handeln.»
  • «Auf das Bauchgefühl zu hören, ist auch in der Medizin sehr wichtig. In der betrieblichen Ersten Hilfe wird viel Wert daraufgelegt, Wissen und Können zu vermitteln – und auch viel auswendig zu lernen. Das Intuitive kommt da eher zu kurz.»
  • «Das Vertrauen auf den eigenen Instinkt ist wichtig. Wir wissen alle, wer nur den Geräten vertraut, kann falsch liegen: ‘Wer misst, misst Mist!’»
  • «Dieser Einsatz zeigt auf, wie wichtig eine funktionierende Rettungskette ist. Ein Mitarbeiter ist aufmerksam und reagiert sehr gut. Die Schulsanität lässt trotz negativer Untersuchungsergebnisse des Rettungsdienstes nicht locker und vertraut auf die Intuition und das Bauchgefühl. Ebenfalls nehmen sie Informationen des Patienten ernst. So konnte möglicherweise Schlimmeres verhindert werden und vor allem kann der betroffene Schüler korrekt behandelt werden.»
  • «Ich habe diese Eingabe gewählt, da sie ein reales Ereignis beschreibt, bei dem eine medizinische Einschätzung abseits klarer Symptome erforderlich war. Der Fall verdeutlicht die Bedeutung von Intuition, Erfahrung und umfassender Beobachtung im sanitätsdienstlichen Kontext – insbesondere bei unspezifischen oder ungewöhnlichen Symptomen.»

Übrigens, die Gewinner wurden von der SanArena Rettungsschule ausgebildet.

Der SVBS AWARD

Die Schweizerische Vereinigung für Betriebssanität (SVBS) prämiert jedes Jahr die Ersthelfer des Jahres. Ausgezeichnet werden besonders innovative Projekte im Bereich der Ersten Hilfe oder vorbildliche Einsätze als Ersthelfer. Damit will die SVBS einerseits Lob, Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen. Vor allem aber sollen durch diese prämierten Geschichten andere Ersthelfer dazu inspiriert werden, genauso aktiv zu werden und im Betrieb oder im Umfeld ein ähnliches Erste-Hilfe-Projekt umzusetzen oder im Notfall ihr Wissen abzurufen und bestmöglich zu helfen. Zusätzlich zum SVBS AWARD erhalten die Preisträger einen Barpreis, der mit 2500 Schweizer Franken dotiert ist und von HARTMANN gesponsert wird.

Wer andere Ersthelfer mit seinen Geschichten oder Projekten inspirieren möchte, findet das Antragsformular für den nächsten SVBS AWARD 2025 unter www.svbs-asse.ch/anlaesse/award/. Die Gesuche um eine Auszeichnung müssen bis spätestens 1. April 2025 eingesendet werden. Die Preisverleihung findet im Rahmen des «Ersthelfer Symposium» am 31. Oktober 2026 statt.

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