Mittwoch, 24. September 2025
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In der Schweiz werden jährlich über 20’000 Patientinnen und Patienten in einem Akutspital behandelt, bei denen eine Sepsis diagnostiziert wird. Knapp ein Fünftel davon – rund 4’000 Personen jedes Jahr – versterben im Spital.

Sepsis ist eine ausser Kontrolle geratene Reaktion des Körpers auf eine Infektion, die zur Schädigung von lebenswichtigen Organen führt. Es handelt sich um einen ebenso schwerwiegenden und häufigen medizinischen Notfall wie ein Schlaganfall oder Herzinfarkt. Die Zahlen sind einem wissenschaftlichen Bericht über Sepsis-Fälle in der Schweiz zu entnehmen, der heute im Rahmen des nationalen Sepsis-Programms erscheint. Das Sepsis-Programm wird von der Eidg. Qualitätskommission (EQK) finanziert. Gleichzeitig haben Fachpersonen und Betroffene im Rahmen des Programms eine Erklärung lanciert, in der sie sich für gemeinsame Massnahmen gegen die Sepsis-Gefahr verpflichten.

Das Schweizer Sepsis-Programm (Swiss Sepsis Program SSP) veröffentlicht zum Welt-Sepsis-Tag vom 13. September 2025 einen Bericht über die Zahl der Sepsis-Fälle in der Schweiz und über die entsprechenden Kosten für Gesundheitssystem und Gesellschaft. Anhand von Daten der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser des Bundesamts für Statistik (BfS) analysiert der Bericht die Zahl der Sepsis-Fälle und die dadurch bedingte Krankheitslast sowie die direkten Gesundheitskosten in der Schweiz. Fachleute aus dem Universitäts-Kinderspital Zürich haben die Analyse gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern von Unisanté Lausanne und der Universität Basel vorgenommen.

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Die Forschenden haben dafür schweizerische Gesundheitsdaten der Jahre von 2019 bis 2023 analysiert. Demnach wurde in diesem Zeitraum bei jährlich gut 20’000 Spitalaufenthalten eine Sepsis codiert. Betroffen sind alle Altersgruppen, besonders aber Säuglinge und ältere Menschen. Bei einer Sepsis handelt es sich um eine lebensbedrohliche, ausser Kontrolle geratene Reaktion des Körpers auf eine Infektion, die zu Organversagen, Schock und sogar Tod führen kann.

Die Zahlen sind in den letzten Jahren nicht gesunken. Es besteht zudem die berechtigte Vermutung, dass nicht alle Sepsis-Fälle erkannt und erfasst und nicht alle Personen mit einer Sepsis im Spital behandelt werden. Da diese Fälle nicht in die Statistik einfliessen, vermuten die Autorinnen und Autoren der Studie eine nochmals deutlich höhere Krankheitslast in der Schweiz.

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«Die Gefahr durch Sepsis wird immer noch unterschätzt», sagt die Erstautorin des Berichts, PD Dr. Nora Lüthi. Zusammen mit Prof. Luregn Schlapbach, Intensivmediziner am Universitäts-Kinderspital Zürich, leitet sie das Swiss Sepsis Programm.

Sepsis: Fast zwanzig Prozent der Patientinnen und Patienten versterben im Spital

Die Analyse zeigt, dass von den 20’000 hospitalisierten Fällen knapp 20 Prozent – also rund 4’000 Patientinnen und Patienten – im Spital versterben. Mit höherem Alter und in Fällen mit einem septischen Schock ist die Sterblichkeit jedoch weit höher. Die Zahl der Todesfälle bleibt trotz fortschrittlicher Pflege in den letzten Jahren weitgehend unverändert. Zum Vergleich: Aufgrund von Herzinfarkten sind es jährlich rund 19’000, bei Schlaganfällen 22’000 Spitaleinweisungen und je rund 2’500 Todesfälle.

Auch nach dem Spitalaufenthalt bleibt die Sterblichkeit infolge einer Sepsis hoch. Unter den älteren Patientinnen und Patienten mit Sepsis verstarben innerhalb eines Jahres nach Spitaleintritt knapp ein Drittel der Personen.

Kosten von über einer Milliarde Franken pro Jahr

Sepsis stellt das Schweizer Gesundheitssystem vor grosse Herausforderungen. Rund 40 Prozent der Spitalfälle mit einer Sepsis-Diagnose werden in einer Intensivstation behandelt. Die durchschnittlichen Kosten eines Sepsis-Falls liegen gemäss Bericht bei rund 50’000 Franken. Bei jährlich 20’000 Sepsis-Fällen belaufen sich die direkten Spitalkosten damit schweizweit auf 1 Milliarde Franken pro Jahr.

Rechnet man die Kosten für Rehabilitation, Nachsorge und die Behandlung langfristiger Komplikationen über die darauffolgenden drei Jahre hoch, dürften die direkten Kosten in der Schweiz schätzungsweise auf das Doppelte, also auf 2 Milliarden Franken pro Jahr ansteigen. Zusätzlich entstehen indirekte Kosten durch körperliche und psychische Spätfolgen bei den Betroffenen und ihren Angehörigen, die über Jahre andauern können und teilweise auch zum Verlust der Arbeit führen und hier nicht abgebildet sind.

«Die Berechnungen belegen klar, dass Sepsis eine grosse Bedrohung darstellt und unsere Gesellschaft mit enormen Kosten belastet», sagt Luregn Schlapbach. «Im Gesundheitssystem müssen Erkennung, Behandlung und Nachbehandlung der Sepsis deshalb dringend höher priorisiert werden», fügt er an.

Das Schweizer Sepsis-Programm soll dazu in den nächsten Jahren einen wichtigen Beitrag leisten. Mit einer Öffentlichkeitskampagne, der Definition klinischer Standards, mit Bildungsmodulen, einem Sepsis-Register und dem Aufbau einer Betroffenengruppe wollen die verantwortlichen Spitalteams die Situation verbessern.

Das Programm wird von den Universitätsspitälern CHUV (Lausanne), Insel (Bern) und Kinderspital (Zürich) verantwortet und von der Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK) für das Gesundheitswesen finanziert. Der Fokus liegt auf der Früherkennung, der Behandlung und der Nachsorge von Sepsis. «Was zudem weiterhin fehlt in der Schweiz ist eine nationale Koordination der Forschung zu Sepsis, damit Forschungsresultate rascher auch eine Auswirkung auf die Behandlung von Patienten haben können», ergänzt Schlapbach.

Eine Erklärung von Fachleuten und Betroffenen: Gemeinsam gegen Sepsis

Zum Welt-Sepsis-Tag von 2025 haben Fachpersonen und Betroffene aus dem Umfeld des Programms zudem eine Erklärung veröffentlicht, die auf das Problem der Sepsis auch in der Schweiz hinweist. In der Erklärung verschreiben sie sich der Aufgabe, gemeinsam Massnahmen gegen Sepsis und ihre Folgen zu ergreifen und zu unterstützen. Die Sepsis-Erklärung ist frei zugänglich und kann durch alle Interessierten unterschrieben werden (Link).

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