Patrick Wegmann und die Lifetec AG sammeln in ihren Beratungen rund um Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) eine Menge Erfahrungen. Wir sprachen mit ihm über Erfolgsrezepte und vermeidbare Fehler.
BGM mit der Giesskanne umzusetzen, kann ganz schön ins Geld gehen. Und wenn dann kaum Erfolge messbar sind, fahren Unternehmen ihre Bemühungen zurück. Das ist schade, denn punktuelle Interventionen können kosteneffizient sein und eine Menge bewirken, sagt Patrick Wegmann, Managing Director der Lifetec AG.
Herr Wegmann, wann bringen BGM-Massnahmen den erhofften Erfolg?
Aus meinen Erfahrungen bringt das Giesskannenprinzip nicht viel – also der Ansatz, möglichst viele Massnahmen einzuführen, deren Erfolg aber schwer messbar ist. Wir versuchen mit punktuellen Interventionen und regelmässigem Feedback zu agieren. Solche Interventionen kosten nicht viel, zeigen der Geschäftsleitung aber einen konkreten Nutzen und bleiben deshalb attraktiv. Das können Massnahmen rund um Ergonomie, Ernährung, mentale Gesundheit oder Ähnliches sein. Vielen Unternehmen hilft ein Coaching von aussen und eine direkte Beratung zu gezielten Einzelthemen.
Zum Beispiel schauen wir uns eine Maschine ganz genau an und können durch kleine ergonomische Anpassungen einen grossen und messbaren Nutzen erwirken. Wir möchten unseren Kunden praktische Tools mitgeben, also eine Art Werkzeugkiste. Das sollen möglichst fassbare und anwendbare Dinge sein, mit denen man arbeiten kann. Sie sollen das Bewusstsein schärfen, wie man sich physisch oder psychisch verhalten kann, um gesund zu bleiben. Solche Elemente sollten nicht allzu ausufernd sein, sondern so konkret, dass man sie in einer kürzeren Zeit umsetzen kann.
Das heisst, wenn BGM-Massnahmen ihr Ziel verfehlen, sind sie zu wenig individuell oder zu ausufernd?
Vor allem kommen sie bei der Person nicht an, bei der sie ankommen sollten – entweder weil sie damit nichts anfangen kann oder weil sie auch ohne Massnahme von sich aus affin für das Thema ist. Ein gutes Beispiel ist Yoga. Es gibt kaum jemanden, der damit beginnt, nur weil es die Firma anbietet. Ganz individuelle Massnahmen sind kaum bezahlbar. Man muss auf Massnahmen fokussieren, die leicht umzusetzen sind und von denen man sich vorstellen kann, dass sie für die Mitarbeitenden einen Mehrwert bieten.
Nehmen wir nochmals das Beispiel Ergonomie: Wenn wir hier eine kurze Ausbildung durchführen, sollte das Ziel sein, dass alle Mitarbeitenden ein Bewusstsein für ergonomisches Verhalten in den Alltag mitnehmen – und das ist eine einmalige Ausbildung und kein wöchentlicher Kurs. Mit solchen kurzen Interventionen können wir einige Kniffs oder Inputs vermitteln. Teilweise muss man aber auch auf bestimmte Personen eingehen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Haltung an Industriearbeitsplätzen, wo Massnahmen arbeitsplatzspezifisch sein müssen. Im mentalen Bereich schliesslich braucht es für einen effektiven Transfer auch repetitive Interventionen in Form von individuellen Coachings.
Beraten Sie eher Firmen, die im BGM noch nichts gemacht haben, oder solche, die mit ihren bisherigen Massnahmen nicht weitergekommen sind?
Wir konzentrieren uns eher auf KMU. Erfahrungsgemäss sind dies häufiger Firmen, die noch nichts oder nur wenig gemacht haben. Sie möchten das ändern, aber mit möglichst überschaubarem Aufwand.
Wenn Firmen bereits mit BGM-Massnahmen gescheitert sind, wo setzen sie dann an?
Hat ein Unternehmen mehrere Jahre BGM-Massnahmen im Giesskannenprinzip mit grossem finanziellem oder personellem Aufwand umgesetzt und stellt schlussendlich fest, dass es nicht viel bringt, muss man sich rückbesinnen und neu starten. Das ist auf jeden Fall schwieriger, als wenn wir schon zu Beginn mitgestalten und den Erfolg schnell messen und aufzeigen können.
«Manche grosse BGM-Initiativen haben Schwächen, weil ihre Zielsetzung nicht ganz klar ist.»
Was sollte BGM tatsächlich leisten?
Es ist wichtig, BGM als Ganzes von den gesundheitsfördernden Einzelmassnahmen zu unterscheiden, also vom klassischen Früchtekorb oder Wasserspender. Idealerweise gibt es für BGM ein Gesamtkonzept und eine klare Zielsetzung: Wollen wir die Krankheitstage der ganzen Belegschaft reduzieren? Wollen wir einfach ein besseres Gefühl haben? Oder wollen wir Burnout-Prävention machen? Diese Zielsetzungen sollten definiert werden. Davon leitet man Massnahmen ab und misst deren Auswirkungen. Wenn man also Yoga-Stunden anbietet, um die Absenzen zu reduzieren, muss man sich überlegen, wer dort mitmacht und ob diese Massnahme zielführend ist. Ich denke, manche grossen BGM-Initiativen haben Schwächen, weil ihre Zielsetzung nicht ganz klar ist.
Hat BGM auch mit Unternehmenskultur zu tun?
Natürlich. Damit ein BGM seine volle Wirkung entfalten kann, ist es unerlässlich, dass das Topmanagement glaubwürdig vorangeht. Die Unternehmenskultur beeinflusst grundsätzlich viele Aspekte und hat Auswirkungen auf diverse Bereiche. Ein Beispiel ist die mentale Gesundheit. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle, vom privaten Umfeld über finanzielle Probleme oder Herausforderungen in der Familie bis zu gewissen Konstellationen in der Firma. Wir können mit Kurzinterventionen einzelne Mitarbeitende adressieren.
Wenn aber eine toxische Unternehmenskultur die Ursache für mentale Probleme ist, kann eine einzelne Kurzintervention rund um BGM nicht allzu viel ausrichten. In solchen Fällen ist eine begleitende Prozesssteuerung oder Mentoring der effektivere Ansatz – das geeignete mentale Instrument, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Zeigt unsere quartalsweise Auswertung, dass schwierige Konstellationen in der Firma ein wesentlicher Grund für Probleme sind, können wir den Hebel klar an Führungsthemen und an der Unternehmenskultur ansetzen. Allerdings braucht es dafür eine gewisse Unternehmenskultur, damit das Topmanagement das entsprechend aufnimmt und bereit ist, diese toxischen Konstellationen zu entschärfen.
Allerdings lässt sich die Unternehmenskultur kaum so schnell ändern, wie man sich Resultate aus BGM-Massnahmen erhofft.
Nur wegen BGM wird man die Unternehmenskultur ohnehin kaum ändern. Aber die Resultate aus unseren Interventionen und Coachings können aufzeigen, dass für gewisse Mitarbeitende entsprechende Belastungen existieren. Es ist daher sinnvoll, diese Probleme möglichst konkret zu adressieren. Wir zeigen genau auf, wo sich eine problematische Unternehmenskultur negativ auswirkt. Das Management soll sich nicht angegriffen fühlen, sondern erkennen, wo es positiven Einfluss nehmen kann. Dazu braucht es eine gewisse Offenheit. Ist das Management gegenüber solchen Diskussionen eher feindlich eingestellt, wird die Sache schwierig. Dann werden auch die meisten BGM-Massnahmen scheitern.
Wie schnell kann man denn Resultate aus BGM-Massnahmen erwarten?
Bei gezielten und messbaren Massnahmen sollte man in unseren quartalsweisen Auswertungen bereits Effekte erkennen können. Das ist für das Management wichtig, letztendlich stellt es die Mittel für solche Massnahmen bereit. Wichtig ist ein quartalsweises Update und eine grössere Auswertung einmal im Jahr, die wir gemeinsam besprechen und auf deren Basis die Massnahmen weitergeführt oder angepasst werden.
Wie entwickelt sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit von BGM-Massnahmen in der Unternehmenswelt?
Besonders bei den KMU rückt das Thema zunehmend in den Vordergrund. Viele haben das Bedürfnis, hier aktiv oder noch aktiver zu werden. Hinzu kommt, dass Aufsichtsorgane wie das Arbeitsinspektorat immer mehr auf das Thema ansprechen. Statistiken zu Absenzen und Umfragen zu psychischen Belastungen liefern ausserdem mehr Daten zu dieser Problematik. Grössere Unternehmen beschäftigen sich häufig schon länger mit diesen Themen. Bei ihnen hat der Enthusiasmus vielleicht etwas nachgelassen, weil ein paar Jahre ins Land zogen und nicht viele Erfolge greifbar wurden – häufig genau aufgrund der Giesskannen-Methoden.