Donnerstag, 23. Oktober 2025
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Der Bundesrat will die Bevölkerung bei Ereignisfällen mit modernen Kanälen informieren, warnen und alarmieren. Geplant sind im Sinne einer Multikanalstrategie die Einführung der Handyalarmierung («Cell Broadcast»), die Übertragung der Sirenenverantwortung an die Kantone sowie der Rückbau der UKW-basierten Notfallradiosender. Dazu hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 15. Oktober 2025 die Vernehmlassung für Änderungen des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes eröffnet. Die Vernehmlassung dauert bis am 2. Februar 2026.

Bereits im November 2024 hat sich der Bundesrat für die Stossrichtung der vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) erarbeiteten «Multikanalstrategie zur Information, Warnung und Alarmierung der Bevölkerung» ausgesprochen. Sie zielt auf die Sicherstellung der umfassenden Information, Warnung und Alarmierung der Bevölkerung in Krisensituationen ab. Dafür muss unter anderem das zentrale Kernsystem erneuert werden, über das Bund und Kantone Informationen, Warnungen und Alarmierungen erfassen und verbreiten. Nun schafft der Bundesrat die rechtlichen Grundlagen dazu und eröffnet die Vernehmlassung für Anpassungen im Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes (BZG). In drei Bereichen sind wichtige Änderungen vorgesehen:

Handyalarmierung: Einführung eines neuen weitreichenden Alarmierungskanals

An erster Stelle der Multikanalstrategie steht der Ausbau des Einsatzes digitaler Kanäle. Der neu einzuführende Kanal der Handyalarmierung («Cell Broadcast») ist in der Lage, allen Smartphones in einem betroffenen Gebiet eine kurze Textnachricht zuzustellen. Diese Möglichkeit wird für dringliche Warnungen und Alarme genutzt werden. Dafür müssen alle Mobilfunknetze der Schweiz technisch aufgerüstet werden, insbesondere durch die Schaffung von jeweils einem hochverfügbaren «Cell Broadcast Center (CBC)» pro Mobilfunknetz, das die Meldungen entgegennimmt und deren Verbreitung in den betroffenen Regionen sicherstellt.

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«Cell Broadcast» wurde bereits in mehreren Nachbarstaaten der Schweiz eingeführt. Zudem sollen die bereits seit 2018 genutzte Alertswiss-Website und App weiterentwickelt werden, damit die Barrierefreiheit und die Verfügbarkeit von Inhalten auf den Mobiltelefonen auch ohne Netzempfang sichergestellt sind; dazu braucht es jedoch keine Anpassung von Rechtsgrundlagen.

Kantone für Sirenen zuständig, Bund für das Fernauslösungssystem

Die zweite Änderung betrifft die Zuständigkeit für die Sirenen. Vor 2021 waren die Zuständigkeiten im Bereich Sirenen zwischen Bund und Kantonen geteilt. Mit dem Bevölkerungsschutzgesetz von 2021 sollten alle Aufgaben nach einer Übergangsfrist vom Bund übernommen werden. Es hat sich aber gezeigt, dass eine Zentralisierung nicht die gewünschten Effekte erzielen kann. Die Betreuung der Sirenen über den gesamten Life Cycle (Alarmierungs- und Standortplanung, Vorbereitung des Standorts, Bereitstellung, Unterhalt, Wartung, Abbau etc.) findet vor Ort statt.

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Die effizienteste Art, diese Aufgaben zu erbringen, ist daher eine Erbringung durch die kantonale Behörde. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, die Zuständigkeit und Finanzierung für den Unterhalt und den Betrieb der Sirenen ganz auf die Kantone zu übertragen. Der Bund sorgt weiterhin für eine einheitliche, gesicherte Sirenenfernsteuerung und wird dafür ein neues Sirenen-Fernauslösungssystem bereitstellen, welches das heutige System bis 2035 ablöst. Der Bundesrat beantragt für die Neuregelung der Zuständigkeiten Anpassungen am Bevölkerungsschutzgesetz.

Fokus auf die Kanäle, die den grössten Mehrwert bringen

Die dritte Massnahme betrifft die Einstellung des UKW-basierten Notfallradiosystems. Der Bundesrat erachtet den Nutzen dieses Systems als zu gering, als dass die für einen Weiterbetrieb notwendigen hohen Betriebskosten von gegen 20 Millionen Franken pro Jahr gerechtfertigt wären. Auch wenn sich das Parlament zu einem späteren Zeitpunkt für eine Verlängerung der UKW-Konzessionen der Privatradios aussprechen sollte, ist das Notfallradio für den Schutz der Bevölkerung heute nicht mehr zeitgemäss. Das Szenario, wonach sich die Bevölkerung über Tage und Wochen ununterbrochen in Schutzräumen aufhält und das Notfallradio unbeschädigt bleibt, sodass die Bevölkerung mit einem via UKW ausgestrahlten Programm informiert werden kann, wird als unwahrscheinlich eingeschätzt.

Aktuelle bewaffnete Konflikte, etwa in der Ukraine, zeigen auf, dass insbesondere der schnellen, lokalen Alarmierung mit Sirenen und Mobiltelefonen sowie der Informationsversorgung an Anlaufstellen der Behörden eine zentrale Rolle zukommt. Mit der Einführung lokaler, reichweitenstarker Kanäle wie Cell Broadcast, verbreitungspflichtigen Meldungen über alle Radiostationen (UKW, DAB+, Satelliten- und Webradio) und der Stärkung der Informationsvermittlung an den Notfalltreffpunkten kann die Information, Warnung und Alarmierung auch bei Ausfällen einzelner Systeme über ein breites Spektrum von Ereignissen sichergestellt werden. Das Notfallradiosystem soll darum zurückgebaut werden.

Investitions- und Betriebskosten von über 400 Millionen Franken

Für den Werterhalt und die Weiterentwicklung der Systeme zur Information, Warnung und Alarmierung der Bevölkerung, d.h. Kernsystem, Sirenenfernauslösesystem, Cell Broadcast, die Weiterentwicklung der Alertswiss App und Website und den Rückbau des Notfallradios, rechnet der Bund bis 2035 mit Investitions- und Betriebskosten von 410,9 Millionen Franken, davon sind 269,4 Millionen Franken neu benötigte Mittel. Für die Umsetzung der Multikanalstrategie wird der Bundesrat Verpflichtungskredite beim Parlament beantragen.

Die Vernehmlassung dauert bis am 2. Februar 2026.

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