Schwarmintelligenz: Stefan Binggeli will alle Mitarbeitenden der Swisscom in ein Thema wie Erste Hilfe einbeziehen. Alle gehörten in diesen einen Schwarm, der im Ereignisfall richtig reagieren müsse.
Schwarmintelligenz bedeutet, dass Gruppen von Individuen durch Zusammenarbeit intelligente Entscheidungen treffen. In der Natur beobachten wir Schwarmintelligenz unter Vögeln, Bienen oder Fischen. Aber auch rund um Kommunikation oder Wirtschaftsorganisationen funktioniert dieser Ansatz häufig sehr gut – teilweise gewollt, teilweise auch einfach intuitiv genutzt.
Für Stefan Binggeli macht Schwarmintelligenz in verschiedenen Bereichen der Sicherheit Sinn. Er ist seit dem Jahr 2014 in der Group Security der Swisscom für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz mitverantwortlich und betreut die Notfallorganisationen rund um Leib und Leben, die unter dem Begriff ‘Schutzengel’ zusammengefasst sind.
«Es gibt bei uns verschiedenste Jobs und dadurch auch ganz unterschiedliche Gefährdungen, vom Bürobereich bis hin zu besonderen Gefährdungen nach EKAS 6508, beispielsweise bei Arbeiten auf Masten oder in Gräben und Schächten», sagt Stefan Binggeli. «Wir haben rund 1100 Gebäude, vor allem Managementgebäude und Telefonzentralen, und rund 7500 Aussenstandorte mit Antennen. Hier kann alles passieren, bis hin zu Hunden oder Kühen, die uns auf der Wiese nachrennen.»
Schwarmintelligenz und Erste Hilfe
Derzeit gibt es bei Swisscom rund 550 ausgebildete Betriebssanitäter:innen und rund 215 Evak-Spezialisten, teilweise in Doppelfunktionen – und das auf rund 15’000 Vollzeitstellen beziehungsweise 17’000 Mitarbeitende. «Es ist eine eher schlanke Notfallorganisation» sagt Stefan Binggeli. Und dafür brauche es Menschen, die sich eignen. «Evak-Spezialisten müssen sich voranstellen und durchsetzen können, Betriebssanitäter:innen müssen auf Menschen eingehen können. Evak-Spezialisten kann ich wiederum leichter institutionell beauftragen, ich kann aber niemanden zwingen, Betriebssanitäter:in zu werden – diese Situationen können mental fordernd sein, das ist nicht allen gegeben.»
Die schlanke Notfallorganisation macht es umso wichtiger, dass alle Mitarbeitenden im Ereignisfall richtig reagieren können – sprich, dass es in Sachen Erste Hilfe eine gewisse Schwarmintelligenz gibt. In diesen Schwarm gehöre jeder und jede einzelne Mitarbeitende. «Es ist wichtig, dass wir in dieses Thema alle einbeziehen», sagt Stefan Binggeli. «Es geht nicht darum, in welcher Tiefe ich in diesem Thema ausgebildet bin, sondern dass ich überhaupt einmal reagiere, wenn wir ein Ereignis haben. Viele denken, es sei gesetzlich damit getan, das Thema auf medizinische Hilfeleistungen zu beschränken. Aber es geht darum, in jeder Notlage unterstützen zu können. Und mindestens alarmieren, dass können letztlich alle Mitarbeitenden.»
Alarmierung sicherstellen
Damit diese Alarmierung sichergestellt werden kann, gibt es einerseits gebäudespezifische Notrufnummern. «Ein Alarm wird immer entgegengenommen, während 24 Stunden pro Tag und an sieben Tagen in der Woche», sagt Stefan Binggeli. «Dort kann man anleiten, was im Notfall zu tun ist.»
Für die Notfallorganisationen vor Ort ist das System E-Alarm Crisis im Einsatz, ein Produkt der Swisscom. Dank Geofencing lassen sich darüber dynamische Alarmierungsgruppen zusammenstellen. «Wenn ich in Bern ausgebildet wurde, aber gerade an einem Standort in Zürich arbeite und dort ein Notfall eintritt, werde ich auch dort alarmiert», sagt Stefan Binggeli. «So haben wir in der heutigen Zeit der Arbeitsnomaden alles im Griff, können unsere ausgebildeten Ressourcen zum Einsatz bringen und Lücken schliessen. Wer im Homeoffice arbeitet, kann sich im Notfall an die Alarmstelle wenden, die in jeder Lebenslage unterstützt.»
Schwarmintelligenz in weiteren Sicherheitsthemen
Schwarmintelligenz ist für Swisscom nicht nur rund um die Erste Hilfe ein bevorzugter Ansatz, sondern kommt auch in weiteren Sicherheitsbereichen zur Anwendung. «Beispielsweise führen wir Sicherheitskurse durch», sagt Stefan Binggeli. «Wir machen eine kurze und knackige Präsentation, was wir unter physischer und logischer Sicherheit eigentlich verstehen. Dann gehen wir auf einen Rundgang durch das Gebäude.»
Dort lernen die Mitarbeitenden beispielsweise, wie sie Notausgänge bedienen, wo AED zu finden sind und wie man sie bedient. «Brandlasten sind ein Thema und in einer praktischen Arbeit mit Kleinlöschmitteln zeigen wir, wie man mit Löschdecken oder Feuerlöschern umgeht», sagt Stefan Binggeli. «Das Ziel ist, dass rund 25 Prozent der Belegschaft jeweils aktuell geschult sind, die Schulung ist rund fünf Jahre lang gültig. So sind die Mitarbeitenden in Notfallsituationen vorbereitet und wissen, wie sie reagieren müssen.»
Swisscom holt auch Unterstützung von aussen
Zum Glück kämen nicht alle Betriebssanitäter:innen alle Jahre zu Einsätzen, sagt er. Doch dadurch blieben sie auch etwas unerfahren. Ein Weg, wie die Swisscom zusätzliche Praxiserfahrungen ermöglicht, sind die Swisscom Games, ein Mitarbeiteranlass mit rund 3500 bis 4000 Teilnehmenden. «Dort unterstützen unsere Betriebssanitäter:innen unseren Medical Partner während zweieinhalb Tagen und können ihre Fähigkeiten erweitern und unter Beweis stellen», sagt Stefan Binggeli.
Der Medical Partner ist die JDMT Group AG. «Wir arbeiten seit vielen Jahren sehr eng mit JDMT zusammen», sagt Stefan Binggeli. «Sie betreiben für uns die Alarmzentrale, stellen den gesamten Medical Support sicher und bilden unsere Betriebssanitäter:innen aus.»
Andreas Juchli, Geschäftsführer der JDMT Group AG, sieht im Ansatz der Schwarmintelligenz sehr viel Nutzen und Potenzial. «Anstatt einzelne Ersthelfer auszubilden, sollten alle Mitarbeitenden Ersthelfer:innen sein», sagt er. «Wir können über Roadshows und Schulungen möglichst viele Mitarbeitende erreichen, um die sogenannten Emergency Skills auszubilden. Im tatsächlichen Ereignis können wir sie telefonisch anleiten, was zu tun ist. Ein solcher Ansatz ist einfach, effizient, gesetzeskonform und wirtschaftlich.»