Ein Diebstahl am Arbeitsplatz, manipulierte Arbeitsrapporte oder andere schwerwiegende Verstösse gegen die Treuepflicht können für Arbeitgeber ein erhebliches Risiko darstellen – insbesondere dann, wenn ein Arbeitszeugnis ausgestellt werden muss. Viele Arbeitgeber fragen sich, ob sie solche Vorfälle erwähnen dürfen, müssen oder besser verschweigen sollten, um die betroffene Mitarbeiterin nicht übermässig zu belasten. Gleichzeitig besteht die Sorge, gegenüber einem künftigen Arbeitgeber haftbar gemacht zu werden, wenn essenzielle Informationen fehlen.
Dieser Beitrag zeigt anhand der geltenden Rechtsprechung und der arbeitsrechtlichen Grundsätze, wann ein schwerer Vertrauensbruch zwingend im qualifizierten Arbeitszeugnis erwähnt werden muss, wie dies rechtlich korrekt formuliert werden kann und weshalb Arbeitgeber ein erhebliches Haftungsrisiko eingehen, wenn sie wesentliche Pflichtverletzungen verschweigen.
Vertrauensbruch und Arbeitszeugnis: Fiktiver Sachverhalt
Eine Mitarbeiterin einer KMU gibt im Jahr 2020 zu, über mehrere Monate Arbeitsrapporte manipuliert und mehrfach Material aus dem Betrieb entwendet zu haben. Die Arbeitgeberin verzichtet – auch aufgrund persönlichen Bedauerns der Mitarbeiterin – auf eine fristlose Kündigung und führt das Arbeitsverhältnis nach Aufarbeitung des Vorfalls fort.
In den Jahren 2021 bis 2024 arbeitet die Mitarbeiterin einwandfrei, erfüllt ihre Aufgaben zuverlässig und wird intern wieder geschätzt. Ende 2024 kündigt sie das Arbeitsverhältnis und verlangt ein qualifiziertes Arbeitszeugnis.
Die Arbeitgeberin steht nun vor der Frage: «Muss der Diebstahl und die Rapportmanipulation im Arbeitszeugnis erwähnt werden, oder darf – bzw. muss – man dies weglassen?»
Und: Droht eine Haftung gegenüber dem neuen Arbeitgeber, wenn der Vorfall nicht erwähnt wird?
Rechtlicher Hintergrund: Wahrheit vor Wohlwollen
Gemäss Art. 330a OR haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf ein vollständiges, wahrheitsgetreues und wohlwollend formuliertes Zeugnis. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis muss insbesondere:
- wahr sein
- vollständig und klar sein
- keine irreführenden Auslassungen enthalten
- und darf das berufliche Fortkommen nicht mutwillig erschweren
Die schweizerische Rechtsprechung betont seit Jahren einen klaren Grundsatz: «Die Wahrheitspflicht geht der Wohlwollenpflicht vor.»
Wir haben somit zwischen der Wahrheitspflicht und der Wohlwollenpflicht ein Spannungsverhältnis bzw. ein Interessenskonflikt. Wie gehe ich als Arbeitgeber also mit diesem Interessenskonflikt in der Praxis um?
Der Lösungsansatz ist folgender: Wesentliche negative Tatsachen müssen erwähnt werden, auch wenn sie für die Arbeitnehmerin nachteilig sind – sofern sie für das Gesamtbild des Arbeitsverhältnisses relevant sind.
Welche Vorfälle müssen erwähnt werden?
Folgende Vorfälle sind im Arbeitszeugnis zu erwähnen:
- Schwere Pflichtverletzungen (z. B. Diebstahl)
Straftaten im Zusammenhang mit der Arbeit – insbesondere Vermögensdelikte – gelten als umfassend zeugnisrelevant. Sie betreffen direkt die Vertrauenswürdigkeit und sind deshalb nicht verschweigensfähig.
- Manipulationen von Arbeits- oder Leistungsdaten
Die absichtliche Manipulation von Arbeitsrapporten ist ein schwerwiegender Vertrauensbruch mit finanziellen Auswirkungen. Solche Verfehlungen gehören nach verbreiteter Lehrmeinung ebenfalls zwingend ins Zeugnis.
- Vorfälle mit Bedeutung für die zukünftige Tätigkeit
Relevant ist nicht nur die Schwere, sondern auch die branchenspezifische Bedeutung. Wo Zuverlässigkeit, korrektes Rapportieren, Kassenführung oder Materialbewirtschaftung zentral sind, wiegen Verstösse besonders schwer.
Darf der Arbeitgeber nicht doch auch einfach schweigen?
Die Antwort lautet nach aktueller Praxis klar: Nein, wenn es sich um einen wesentlichen Vertrauensbruch handelt.
Ein Verschweigen solcher Vorfälle kann Arbeitgeber haftbar machen. Die Rechtsprechung ist diesbezüglich eindeutig. So wurde beispielsweise ein Arbeitgeber zu Schadenersatz verpflichtet, weil er die Unterschlagung eines Buchhalters im Arbeitszeugnis nicht erwähnt und stattdessen ein positives Zeugnis ausgestellt hatte. Der neue Arbeitgeber erlitt später durch ebendiesen Arbeitnehmer einen erheblichen Vermögensschaden.
Die Kernaussage des Bundesgerichts: «Wer ein irreführend positives Zeugnis ausstellt oder wesentliche Pflichtverletzungen verschweigt, kann gegenüber dem neuen Arbeitgeber schadenersatzpflichtig werden.»
Welche Rolle spielt der Zeitablauf?
Der Vorfall im fiktiven Beispiel liegt vier Jahre zurück und die Mitarbeiterin hat sich seither tadellos verhalten. Doch reicht das aus, um die Erwähnung zu unterlassen?
Die Praxis zeigt:
- Bei geringfügigen oder einmaligen, nicht charakteristischen Vorfällen kann der Zeitablauf ein Verschweigen rechtfertigen.
- Bei schweren Verfehlungen (z. B. Diebstahl, Rapportfälschung, Tätlichkeiten) bleibt der Vorfall zeugnisrelevant – selbst bei späterem vorbildlichem Verhalten. Der Grund ist simpel: Der Vertrauensbruch gehört zum Gesamtbild der Anstellungsjahre.
Dennoch muss dieser in Relation gesetzt werden. Das Arbeitszeugnis darf und soll anerkennen, dass sich die Mitarbeiterin nach dem Vorfall professionell und zuverlässig verhalten hat.
Wie kann ein solcher Vorfall demnach rechtssicher formuliert werden?
Selbstverständlich darf ein Zeugnis nicht unnötig verletzend sein. Der Vorfall ist korrekt, aber zurückhaltend und sachlich zu formulieren. Beispiel: «Im Jahr 2020 kam es zu einem gravierenden Vertrauensbruch, den Frau X offen einräumte. Nach Klärung des Vorfalls zeigte sie während der folgenden Jahre in allen Belangen ein einwandfreies Verhalten und erfüllte ihre Aufgaben zuverlässig und zu unserer vollen Zufriedenheit.»
Diese Formulierung erfüllt:
- Wahrheit und Vollständigkeit
- Wohlwollen in der Gewichtung
- Haftungsreduktion, da der neue Arbeitgeber nicht irregeführt wird
Strafrechtliche Begriffe wie «Diebstahl» oder «Fälschung» sollten meist nicht ausdrücklich verwendet werden – die Beschreibung als «schwerer Vertrauensbruch» ist in der Praxis anerkannt und ausreichend. Zudem gilt im Strafrecht bekanntlich der Grundsatz: «Im Zweifel für den Angeschuldigten» (in dubio pro reo), was soviel bedeutet, dass jemand solange als Unschuldig gilt, bis seine strafbare Schuld zweifelsfrei und rechtskräftig erwiesen ist.
Rechtliche Alternative: Arbeitsbestätigung
Die Mitarbeiterin kann statt eines qualifizierten Zeugnisses eine reine Arbeitsbestätigung verlangen. Diese enthält nur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, aber keine Aussagen zu Leistung und Verhalten.
Eine Arbeitsbestätigung:
- erwähnt den Vorfall nicht
- reduziert das Haftungsrisiko erheblich
- ist rechtlich zulässig, wenn sie ausdrücklich verlangt wird
Achtung: Holt der neue Arbeitgeber Referenzen ein, gelten für Auskünfte wiederum Wahrheit und Verhältnismässigkeit – schwere Verfehlungen dürfen nicht verschwiegen werden.
Fazit – Wann muss der Vertrauensbruch erwähnt werden?
Ein Arbeitgeber muss einen schwerwiegenden Vertrauensbruch wie Diebstahl oder Rapportmanipulation im qualifizierten Arbeitszeugnis in zurückhaltender, aber klarer Weise erwähnen, wenn:
- die Verfehlung wesentlich ist,
- sie das Gesamtbild des Arbeitsverhältnisses prägt und
- der Vorfall für die künftige Tätigkeit relevant sein kann.
Ein Verschweigen kann zu erheblicher Haftung gegenüber dem neuen Arbeitgeber führen. Empfehlenswert ist daher eine sorgfältig gewichtete Formulierung, welche den Vorfall erwähnt, gleichzeitig aber die positive Entwicklung und das korrekte Verhalten der Mitarbeiterin in den späteren Jahren angemessen würdigt.
Hinweis: Dieser Artikel wurde mit Unterstützung von ChatGPT erstellt.




